Aus touristischer Sicht muss man den Sommer 2020 aufgrund der Covid-19-Krise in die Kategorie „außergewöhnlich“ einordnen. Das Frühjahr war geprägt vom Lockdown und hohen Einbußen für die Betriebe, während die Ferienregion Ostbelgien in den Sommermonaten Juni, Juli und August vor allem von vielen Gästen aus dem Inland profitierte. Dies belegen die Zahlen und Feedbacks der Online-Umfrage, die die Tourismusagentur Ostbelgien (TAO) unter ihren 150 Mitgliedsbetrieben durchgeführte.
Radfahren und Familienurlaub waren in diesem Jahr sehr angesagt. (Foto©ostbelgien.eu/D.Ketz)
„In diesem Sommer sind wir regelrecht von Gästen überlaufen worden. In den letzten Jahren lief die Sommersaison bereits gut, doch 2020 war noch besser, so dass wir die Verluste aus dem Frühjahr größtenteils wieder gut machen konnten“, sagte Tanja Pip vom Hotel Pip-Margraff in St.Vith. Aufgrund der europäischen Reiseverbote waren die Angebote in der Ferienregion Ostbelgien vor allem im Inland sehr gefragt. „Viele Gäste mussten sich wegen Covid-19 gegen entfernte Urlaubsgebiete und für einen Aufenthalt in Ostbelgien entscheiden. Viele Flamen, Wallonen aber auch viele Einheimische nutzten die hervorragenden Freizeitmöglichkeiten in Ostbelgien. Wir hatten sogar Wandergäste aus Eupen und Raeren zu Gast“, erklärte die Hotelfachfrau.
Segen für den Hotelbereich
Der anfängliche Frust über die Covid-19-bedingten Betriebsschließungen im Frühjahr wurde durch das gute Sommergeschäft gemildert: „Covid-19 war ein Segen für uns in Bezug auf Tourismus und Hotelbuchungen. Viele Reservierungen wurden zwar storniert, doch im Gegenzug kamen viel mehr neue Anfragen für das Hotel. Die Leute konnten und wollten nicht mehr weit reisen und blieben im Lande“, sagten die Betreiber des Hotel-Restaurants „Zur alten Schmiede“ in Schönberg.
Den hohen Anteil an Gästen aus dem Inland belegten die Zahlen der Online-Umfrage der TAO: 64% der Betriebe aus dem Bereich „Hotel, Gästezimmer & Herbergen“ waren der Ansicht, dass die Gäste in diesem Jahr ihren Haupturlaub nicht anders als sonst in Ostbelgien verbracht haben. 68% sagten, dass die Feriengäste länger in Ostbelgien verblieben als in den Vorjahren. Insgesamt führten 84% der Befragten aus diesem Bereich eine „bessere oder gleiche“ Auslastung im Vergleich zum Vorjahr an. Aufgrund der hohen Nachfrage wurde öfter als sonst direkt beim Anbieter gebucht, was 70% der Befragten bestätigten.
In etwa der gleiche Trend wurde im Segment „Ferienwohnungen, Feriendörfer & Camping“ verzeichnet. Ostbelgien verfügt über ein großes Angebot an Ferienwohnungen, von denen viele in den Ferienmonaten zu 100% ausgebucht waren. Neben Flamen nutzten auch viele Familien aus der Wallonie und den Niederlanden die Ferienunterkünfte, die sich vielfach in der Nähe der Badeseen von Bütgenbach und Robertville befinden.
Problem für Gruppenunterkünfte
Gebucht wurde bevorzugt direkt beim Anbieter aber auch gerne über Agenturen. 85% der teilnehmenden Fewo-Betriebe sprachen von einem „besseren oder gleichen“ Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr. Wandern, Radfahren und Mountainbike waren die Lieblingsbeschäftigungen der Gäste.
Von den strengen Covid-19-Maßnahmen stark betroffen waren allerdings die teils luxuriösen Gruppenunterkünfte (Ferienwohnungen >10 Personen) in Ostbelgien. Aufgrund der Tatsache, dass aus Sicherheitsgründen maximal 10 Personen pro Unterkunft zugelassen waren, lohnte sich die Vermietung für diese Anbieter nicht und blieben die Einnahmen aus.
Der Campingbereich konnte die Verluste aus dem Frühjahr durchweg auffangen. „Wir hatten wesentlich mehr belgische Besucher als im Vorjahr, vor allem Flamen aber auch viele Brüsseler und Wallonen“, erklärte Lesley Bekker vom Camping Anderegg bei Robertville. Dort herrschten strenge Hygiene-Auflagen, die laut Aussage der Betreiber vor allem bei den Gästen oftmals nur zögerlich befolgt wurden.
TI Ausflugsziele
So wie die meisten Betriebe im Tourismus mussten auch die ostbelgischen Anbieter von Freizeitaktivitäten und Ausflugszielen sowie die Touristinfo Büros etwa 2-3 Monate wegen der Covid-Krise schließen. Unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen konnten die meisten Einrichtungen dann wieder öffnen. „Zu Beginn war es nicht einfach, weil wir Veränderungen bei der Einrichtung und dem Empfang vornehmen mussten. Als sich die Routine eingestellt hatte, verlief alles reibungslos. Viele Gäste verstanden nicht sofort, warum nur ein Mitglied pro Familie zugelassen war, doch im Grunde verhielten sich die Meisten vorbildlich“, erklärte Kevin Bodarwé vom „Haus für Tourismus Hohes Venn-Ostbelgien“ in Malmedy.
Dort wurden von Mitte Juni bis zum 22. August in diesem Jahr 5.493 Besucher mehr als im vergangenen Jahr empfangen (2020: 17.385, 2019: 11.892). Die größten Besuchergruppen in Malmedy stammten aus Antwerpen und der Provinz Limburg aber auch aus der Provinz Lüttich und den Niederlanden suchten viele Menschen nach Informationen zu den Themen Wandern, Radfahren und Infos zu den Badeseen und Schwimmbädern.
Eingeschränktes Wasservergnügen
Viele Ausflugsziele wie beispielsweise die Burg Reinhardstein in Ovifat erlebten einen wahren Besucher-Ansturm. „7.800 Besucher alleine im Monat Juli bedeutet eine Steigerung von 50% im Vergleich zum Vorjahr. Der Monat August war noch besser besucht“, sagte Martine Delvoye, Verwalterin der VoG Reinhardstein. Viele Einrichtungen bedauerten natürlich das Fehlen der traditionellen Festtage wie den 15. August, die Kirmes- oder Musikveranstaltungen und die Formel 1, aber insgesamt meldeten 73% der Befragten ein besseres oder gleiches Besucheraufkommen im Vergleich zum Vorjahr. Hochsaison herrschte vor allem am verlängerten Wochenende des Nationalfeiertages.
Die Badeseen und Freibäder hatten mit Zugangsbeschränkungen und strengen Auflagen zu kämpfen. Sowohl die Anlagen am See von Bütgenbach (maximal 500 Besucher / Tag) also auch in Robertville (maximal 600 Besucher / Tag) hätten in einer normalen Saison wesentlich mehr Gäste aufnehmen können. Stattdessen mussten die Anlagen an den Sommertagen teilweise mit Polizeihilfe abgeriegelt werden. In Bütgenbach wurde in diesem Sommer laut der Verwaltung 19 Mal die maximale Tagesbesucherkapazität erreicht. Auch in Robertville herrscht viel Andrang: „Viele Leute hatten kein Verständnis dafür, dass sie nicht reinkommen durften. Ein Schwieriges Hindernis war die Maskenpflicht für Badegäste, die sich auf dem Gelände bewegten“ sagte eine Mitarbeiterin des Touristinfo Robertville.
Zugriffszahlen auf die Webseite verdoppelt
Einen weiteren Beweis dafür, dass die Angebote aus Ferienregion Ostbelgien in diesem Jahr hoch im Kurs standen und dabei vor allem Besucher aus dem Inland interessierten, lieferte die touristische Webseite www.ostbelgien.eu. Aus der Analyse der Webdaten war ersichtlich, dass die konkreten Urlaubsplanungen bereits im Mai und besonders im Juni 2020 durchgeführt wurden, denn ab dieser Zeit kletterten die Zugriffszahlen auf dem touristischen Webportal Ostbelgiens in hohem Maße.
In der Zeit vom 1. Juni bis zum 15. August suchten demnach etwa doppelt so viele Menschen via Internet nach Informationen über Ostbelgien wie noch vor einem Jahr. Sowohl bei den Nutzern (+97,56% - 324.084 vs. 164.045) also auch bei den Seitenaufrufen (+123,80 % - 1.588.450 vs. 709.758) machte sich die hohe Nachfrage bemerkbar. Aus den Zahlen geht hervor, dass es vor allem belgische Interessenten waren, die nach Infos suchten. Der Anteil belgischer Nutzer steigerte sich um fast 9% (70,44% vs. 61,63%) im Vergleich zum Vorjahr.
Boom bei Produktbestellungen
Dies belegt die Analyse der Sprachversionen. Etwa 37% der Anfragen fielen auf niederländisch-sprachige Besucher, was im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 5% an der Gesamtnutzerzahl bedeutet. Die beliebtesten Seiten bei den Internetusern waren die Genusstouren für Wandern in Niederländisch und Französisch. Ausflugsziele und Ausflüge ins Hohe Venn standen bei den Suchanfragen ebenfalls sehr hoch im Kurs.
Großes Interesse zeigten die Besucher bei der Bestellung von Karten- und Infomaterial über den Webshop der Seite www.ostbelgien.eu. Dort registrierte die Tourismusagentur Ostbelgien von Anfang Juni bis zum 15. August insgesamt 5.912 Bestellung an gratis Broschüren, zahlungspflichtigen Karten oder sonstigen Produkten. Im Vergleich zum vergangenen Jahr (2.554 Bestellungen) bedeutete dies mehr eine Verdoppelung der Aufträge.
Am Ende der Sommersaison 2020 in Ostbelgien steht die Feststellung, dass die Ferienregion Ostbelgien mit ihrem vielfältigen Angebot an naturnahen Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten sowie der qualitativ hochwertigen Gastronomie und den modern ausgestatteten Unterkunftsbetrieben besonders in Zeiten der Covid-Beschränkungen eines der beliebtesten Reiseziele Belgiens bleibt. Die Anbieter vor Ort konnten den Gästen eine sichere und attraktive Alternative zu den weiter entfernten Reisedestinationen anbieten. Auch viele Ostbelgier entdeckten die Ferienregion neu und nutzten vor allem die Wander- und Radwege für ihren perfekten Urlaub vor der eigenen Haustüre.
Infos zur Umfrage: Die Online-Umfrage wurde unter den 150 Mitgliedsbetrieben der Tourismusagentur Ostbelgien durchgeführt. Der Befragungszeitraum betrifft größtenteils die Periode der Sommerferien vom 1. Juli bis zum 22. August 2020. Die Ergebnisse sind rechtlich nicht bindend und beziehen sich ausschließlich auf die ostbelgischen Betriebe, die an der Befragung teilgenommen haben.